Lebenszeugnis von Gisela

Als mich unser lieber Pfarrer Paul Schmidt gefragt hat, ob ich heute vor euch ein Zeugnis geben würde über mein Leben mit Gott, habe ich voller Schreck geantwortet: "O Gott, da fall ich ja tot um vor lauter Aufregung."
Paul antwortete natürlich in seiner spontanen Art prompt: "Des macht nix Gisela, dann halt mer glei ein Requiem für dich!"

Und so steh ich jetzt hier und falle hoffentlich nicht um.
Mein anfänglicher Schreck hat sich vielmehr in Freude gewandelt.
Es freut mich, dass ich euch heute Abend von meinem Leben mit Gottes Begleitung erzählen darf. Ich fühle mich wohl in eurer Runde und denke, dass meine persönlichen Gedanken in unserer christlichen, geschwisterlichen Mitte gut aufgehoben sind.

Als ich am Anfang auf mein bisheriges Leben blickte, war erst einmal ein kunterbuntes Wirrwarr vor mir.
Doch bei näherem Hinschauen entdeckte ich einen roten Faden, nämlich den Faden der Liebe, den unser himmlischer Vater für mich persönlich gewebt hat.

Meine Kindheit wurde durch meine Eltern von einer gefestigten, christlichen Erziehung geprägt.
Meine Schwester Lydia und ich besuchten so ziemlich jeden Gottesdienst bei uns im Dorf. Auch später, als wir älter waren und manchmal erst in den Morgenstunden von der Disco heimkamen, weckte uns unsere Mutter zur Morgenkirche. Ich stellte dies nie in Frage und ich muss sagen, obwohl es nach den heutigen Erziehungsregeln nicht sinnvoll klingt, ich glaube, ich habe trotzdem ein starkes Fundament für mein Leben erhalten.

Ich hatte in meiner Kindheit einige Gotterfahrungen, an die ich mich noch gerne zurück erinnere und die ich euch erzählen möchte:

So gab es bei uns unter den Kindern ein Mädchen, das nicht gerade beliebt war. Keiner saß gern neben ihr oder gab sich mit ihr ab. Eines Tages waren wir Kinder bei ihr im Wohnzimmer und schauten etwas im Fernsehn an. Ich saß neben ihr und mir kam spontan der Auftrag Jesu: "Liebe deinen Nächsten." Ich nahm ihre Füße, die neben mir lagen, freundschaftlich in meine Hände und saß so neben ihr. Es war ein richtig gutes Gefühl, sich selbst überwunden zu haben und nur aus Nächstenliebe zu handeln.

Eine andere Erfahrung war der Tod meiner Oma, die ich wirklich von Herzen lieb gehabt habe.
Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind bei der Beerdigung in der Kirche saß und mich einfach freuen konnte, dass sie von ihrem Leid erlöst worden ist und jetzt daheim beim himmlischen Vater war.

Ansonsten hatte ich manchmal auch eine recht fragwürdige Verständigung mit unserem lieben Gott:
So erkaufte ich mir gute Noten in der Schule mit "Vater unser" beten.
Für eine 1 gab es drei "Vater unser" und das 4 Wochen lang. Ab einer 4 gab es natürlich nichts mehr. Ich weiß nicht, ob ich meine kindlichen Schulden bei ihm bis heute alle beglichen habe.

Auch kam es vor, dass ich als Kind bei schwierigen Entscheidungen einfach 10 Zettel auf das Fensterbrett legte. Waren mehr als 3 am anderen Morgen weg, so bedeutete das "JA", weniger waren "NEIN". So kommunizierte ich zu dieser Zeit mit Gott.
Aber Jesus hat ja gesagt: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ..."

Mit der Zeit des Erwachsenwerdens wandelte sich mein kindlicher Glaube.

Es entstand eine reifere Beziehung zu Gott, die jedoch oftmals auch voller tiefer Zweifel und Gottferne war.
Ich stellte vieles in Frage und musste plötzlich mit unbekannten Ängsten leben.

Doch auch in dieser Zeit schickte mir Gott immer wieder Erfahrungen, Menschen, Erlebnisse - meine Verbindung zu ihm riss nie ab. Es waren Stufen, die mich auf meinem Weg weiterführten.
Mir waren immer liebe Freunde geschenkt worden, mit denen ich seelenverwandt war und in denen der Geist Gottes wirkte.

Auch durch Leid konnte ich lernen.
Mein damaliger Freund und jetziger Mann verunglückte schwer und behielt eine Behinderung davon zurück. Ich kann nur sagen, dass sich für uns alles mit Gottes Hilfe in ein positives Licht gewandelt hat. In der besonders schweren Zeit hat mich vor allem tiefes Beten getragen, das mir wieder Zuversicht geschenkt hat. Die Beziehung zwischen Ambros und mir wurde durch den Unfall viel wertvoller und wir heirateten einige Jahre später und es wurden uns 2 Kinder geschenkt, obwohl unsere Beziehung vor dem Unfall nicht gerade die beste war. Mit Gott konnten wir die Ereignisse immer in einem positiven Licht sehen. Wir hatten uns neu lieben und schätzen gelernt und waren im Nachhinein dankbar für die leidvolle, aber auch wertvolle Erfahrung.

Besonders geprägt hat mich auf meinem Weg auch eine Fahrt nach Assisi mit meiner besten Freundin. Diese Reise kam auf wundersame Art zustande. Wir lebten dort eine Woche in einer christlichen, franziskanischen Gemeinschaft und erfuhren eine tiefe Beziehung zu Jesus durch die Spiritualität des heiligen Francescos. Was uns Gott in dieser Gemeinschaft besonders spürbar machte, war der liebevolle Umgang untereinander. Diese tiefen Erfahrungen begleiten mich bis heute.

Gott webte seinen Faden auch, als er meine Schwester Lydia den Chor "De Lumina" gründen ließ. 1979 begannen wir auf Anfrage unseres damaligen Pfarrers neue, geistliche Lieder bei uns im Dorf zu singen. Das hat sich inzwischen sehr ausgeweitet auf einen großen Chor mit vielen Terminen.
Mein Wirken im Chor, Gottes Licht und Liebe weiterzuschenken, hat mein Leben und meine Beziehung zu ihm wunderbar bereichert. Immer wieder erlebe ich neue Gotteserfahrungen im Miteinander unter den Chormitgliedern, in wundervollen Gottesdiensten und Gebetsstunden.

Ich durfte vor einiger Zeit die charismatische Gemeinschaft im Alpha-Kurs kennen lernen. Hier wurde mir eine Heilig-Geist-Erfahrung geschenkt, die mir vorher nicht so bewusst war. Jetzt weiß ich zumindest ansatzweise, welche gewaltige Kraft der hl. Geist hat. Ich kann jetzt viele Situationen durch die Stärke des Geistes Gottes bewältigen. Ich danke euch dafür, besonders dir Paul.

Die letzten Wochen nahm ich mit meiner Schwester Lydia an einem Glaubenskurs der Fokularbewegung teil. Ich weiß nicht, ob für euch die Fokularbewegung ein Begriff ist?
Es ist eine geistliche Bewegung in der katholischen Kirche. Ihr Ziel ist, den Geist der Geschwisterlichkeit und der Einheit verstärkt in Kirche und Gesellschaft, in alle Bereiche des menschlichen Lebens hineinzutragen.

Hier durfte ich wieder neu und besonders bewusst die große Gottes- und Nächstenliebe wahrnehmen und erfahren.
Dies war unwahrscheinlich wertvoll für mich. Mir wurde bewusst, dass Glaube ohne Liebe nur eine leere Hülle ist und, dass wir Christen uns ohne Eigennutz, nur um der Liebe, um Gottes Willen, lieben sollen. Diese Liebe, Gottes Liebe, verändert uns alle. Sie verändert die ganze Welt.

Insgesamt kann ich nur sagen: Ich bin zutiefst dankbar, dass Gott an meiner Seite ist. Er wandelt jedes "Sinnlos" in ein "Sinnvoll". Er lässt mich meine Mitmenschen anders, ja liebevoller sehen. Er schenkt mir Kraft und tieferes Sehen.

Das hört sich jetzt alles so Himmel hoch jauchzend an - so ist es aber bei mir oftmals nicht.
Ich habe trotz all der schönen Gotteserfahrungen in meinem Leben immer wieder schlimme Rückschläge, Enttäuschungen auch seitens der Kirche, gerade auch wenn wir mit dem Chor unterwegs sind und manchmal von den Kirchenaktiven Arroganz und Kälte erleben, die mich traurig machen.
Ich schleppe immer noch Ängste mit mir herum, eigene Fehler, Schwächen.
Es ist in meinem Leben nicht alle Tage Sonnenschein.
Mein Glaube hat mich auch nicht vor Krankheit und Leid in meiner eigenen Familie bewahrt.
Ich bin oft in Phasen tiefster Gottverlassenheit.
Ich sehe in manchen Zeiten kein Licht in dunkler Nacht.
Ich stelle immer noch vieles in Frage, kann meine eigene Krankheit schwer ertragen,
bin wütend auf Gott und mich selber und spüre keinen Sinn in manchen Lebensstrecken.

Und trotzdem - irgendwann weiß ich immer wieder auf´s Neue:
Gott trägt mich.
Er liebt mich unendlich und er lässt mich in schweren Zeiten liebevoll reifen und diese Liebe möchte ich allen Menschen und der ganzen Schöpfung weiterschenken.
Ich weiß:
Jesus geht mit mir mit.
Er leidet mit mir mit.
Er ist mein Bruder und Gottes heiliger Geist erfüllt und stärkt mich ... und nicht zu vergessen seine wunderbaren Helfer, die Engel. Danke, dass ihr immer bei mir seid und mich und meine Lieben behütet.

Für all diese Gnade bin ich unendlich dankbar.

Zum Schluss möchte ich euch noch ein Lied von meiner Schwester Lydia schenken - weil´s einfach so gut zu meinem Leben passt:

 

Es ist Gnade, ganz große Gnade,
diese Fülle, die du schenkst, wie du uns liebst;
einfach Gnade, so große Gnade,
dein Erbarmen ist so unbegreiflich nah.

Alles Leid der Welt leg ich in deine Hand, guter Gott.
Wandle Schmerz und Pein in die Fülle des Lichts, guter Gott,
Lob und Preis sei dir, o Herr.

Alles Glück der Welt schenkst du mir jeden Tag, guter Gott.
Mach mein Herz ganz weit, dass Verborgenes blüht, so kostbar,
Lob und Preis sei dir, o Herr.

Meine Zeit, o Herr, lege ich in dein Herz, guter Gott.
Fülle sie mit Sinn, still die Sehnsucht in mir, mach mich frei,
Lob und Preis sei dir, o Herr.

Auch mein Leben Herr, leg ich in deine Hand, mach es neu.
Lass mich wachsen Herr, in der Liebe zu dir, ganz im Licht,
Lob und Preis sei dir, o Herr.

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